Ich bin ja jetzt nicht unbedingt ein Zeitungsleser. Die Gratis-Schundblätter in der U-Bahn sind maximal gut um drauf zu sitzen, und sonst setz ich mich selten irgendwo hin und lese Zeitung. Auch online hab ich keine Standard-Zeitungsseite die ich regelmässig besuche. Über News stolpere ich in meinem Newsstream in diversen Sozialen Medien. Da klicke ich dann auf einzelne Artikel und lande auf diversen Seiten (meistens sind es eh dieselben 5) und dann gibt es da so eine großartige Funktion der „empfohlenen Artikel“, also ähnliche Dinge die man gerade liest werden einem vorgeschlagen und so arbeite ich mich durch die Nachrichten.

Soweit so gut. Jetzt gibt es da etwas Neues. Kommt aus Amerika, woher sonst: Die Live-Zeitung, oder auch „Bühnenzeitung“ genannt. Veranstaltet vom Standard (eine der 5 oben erwähnten Portale). Im November fand die 2. Ausgabe statt und ich war neugierig. Alles was ich wusste, ist, dass sich da 12 Menschen für 5 Minuten auf die Bühne stellen und eine Geschichte erzählen. Ich mag Geschichten erzählen. Ist ja auch total fancy, so ein Storytelling.

Stattgefunden hat die Bühnenzeitung übrigens im Wiener Odeon Theater. Kannte ich nicht bis dahin und ist ein Bauwerk, das voller Überraschungen steckt. Von außen, eine ganz normale Hausfasade in der Taborstrasse. Kaum betritt man die Eingangshalle wird einem bewusst welch mächtiges Gebäude man da grade betreten hat. Riesige, gemauerte Stiegenaufgänge, Säulenhallen deren Decke ich fast nicht sehen kann, Stuck und verzierte Details wohin das Auge reicht. Gebaut in den 80er-Jahren des 19. Jahrhunderts und genutzt als Börse für Landwirtschaftliche Produkte. Fotos gibt es hier, aber man sollte es zumindest einmal Live sehen und erleben.

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Langsam füllt sich der Saal und das minimalistische Bühnenbild deutet darauf hin, dass es heute wirklich nur um die Geschichten geht. Pure Worte. Ich bin gespannt und kurz darauf betritt der erste Erzähler die Bühne: Bogumil Balkansky, Autor und ehemaliger Videothek-Besitzer beginnt die 2. Ausgabe der Bühnenzeitung mit den Worten „In Neuseeland sind die Briten die Tschuschn“ und erzählt über ein paar Menschen die in seiner Videothek Stammgäste waren, wie sich deren Ausleihverhalten geändert hat und über interkulturelle Missverständnisse.

Danach folgt Corinna Milborn, die man von Puls4 kennt, sofern noch jemand von euch fernsieht. So wie in einer Zeitung eben auch, geht es vom unterhaltsamen Schwank aus dem Leben zu toten Flüchtlingen und ihren Erlebnissen in Afrika.

Harald Fidler, der im Anschluss versucht wieder etwas unterhaltsames zu erzählen bzw. das eigentlich geplant hatte, merkt man an, dass es er nicht recht weiß wie er den Schwenk bekommen soll, was auch recht schwierig ist. Er schafft es dann doch und erzählt über Taranteln. Die man essen kann und wie man sie zubereitet.

Susanne Scholl erzählt über ihre Zeit in Russland, Dörfer ohne Straßenanbindung und Fahrer ohne Angst vor Schlamm, worauf dann Harald Havas folgt, der uns Zuhörer anhand seiner Leidenschaft – Comics – bis ins alte, rote Wien Anfang des 20. Jahrhunderts zurückführt.

Gebärde kennen wir alle, aber wusstet ihr, dass es für jede Sprache eine eigene Gebärde gibt? Und dass Namen immer von der Person abhängen, sprich es gibt kein Zeichen für Richard, sondern man sucht etwas, das typisch für mich als Person wäre und macht daraus ein Zeichen. Vielleicht meine Brille. Das hat uns Christine Lauffer erklärt, sie ist Gebärde-Dolmetscherin.

Jetzt kommt mein Highlight: Heinz Oberhummer, seines Zeichen Physiker und Sciencebuster, erklärt warum sein Lieblingsbakterium das „Deinococcus radiodurans“ ist und warum er immer ein Glas mit Lama-Kacke mit sich rumführt. Sehr unterhaltsam!

Plötzlich wird es dunkel im Saal und als das Licht wieder angeht, stehen eine paar Wände auf der Bühne und Menschen laufen umher. Arbeiter, Anzugsträger, ein Parkbank und ein paar Sandler. „Was ist denn nun los?“ denke ich mir und es dauert ein paar Minuten bis es „KLICK“ macht. Werbung! Natürlich! Gehört ja auch in eine Zeitung und ist hier natürlich auch Live, auf der Bühne. Dass gerade die Bank Austria für ihr Online-Banking wirbt ist ein wenig naja, aber gut, mir ists wurscht.

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Weiter geht’s mit Reem Alkaisy, einer jungen Künstlerin aus Bagdad, die im Mai 2012 flüchten musste und in Österreich Zuflucht gefunden hat.

Danach liest noch der Pi-Fan Christian Kreuzer aus der Pibel und erklärt was man tun muss um im Pi-Club aufgenommen zu werden, Ex-Ex-Ex-Model Elvyra Geyer stammelt irgendwelche komischen Geschichten über Zahnweh und Honkong daher, wobei ihre „Geschichte“ mehr Namedropping ist, als interessant, und Hans Rauscher zitiert User aus dem Standard-Forum, was wirklich sehr lustig ist, vielleicht sollte man daraus mal ein Buch machen.

Einen habe ich noch ausgelassen: Patrick Pulsinger, der 1992 als blutjunger DJ, der ein paar mal bei Freunden auf der Geburtstagsfeier aufgelegt hat, nach New York fliegt und innerhalb von ein paar Wochen zum angesagten DJ aufsteigt. Ja, früher ging das halt noch 😉

Alles in allem ein spannender Event, natürlich ist nicht jeder der 5 Minuten Vorträge wirklich spannend und interessant, aber das ist subjektiv, so wie in einer Zeitung halt die Artikel.

Die gute Nachricht: Die 3. Ausgabe der Bühnenzeitung steht schon fest: 26. Februar 2014, und alleine wegen der Location sollte man sich das ganze ansehen. Infos uns Tickets gibt’s hier: BÜHNENZEITUNG